Die Buddha-Statuen von Bamiyan

Die Kolosse zu Bamiyan nach Alexander Burnes Zeichnung.


Die Buddha-Statuen von Bamiyan waren bis zu ihrer Zerstörung durch die Taliban im März 2001 die größten stehenden Buddha-Figuren der Welt. Sie waren 53 bzw. 35 Meter groß und befanden sich im Tal von Bamiyan, das im Zentrum Afghanistans liegt. Als einer der ersten Europäer beschrieb der schottische Reiseschriftsteller Alexander Burnes die Statuen und machte sie mit seinem Bestseller „Reisen in Indien und nach Buchara“ ab 1834 einem größeren Publikum bekannt. Er war kein Kunsthistoriker. Hier folgt nun Buchara-Burnes‘ Beschreibung und Interpretation:

„Bamiyan ist berühmt wegen seiner kolossalen Idole und der unzähligen Höhlen, welche in allen Teilen des Tales ausgegraben sind. Bamiyan steht unter der Oberherrschaft von Kabul; es ist eine alte Stadt, und vielleicht die, welche Alexander der Große an der Basis des Paropamisus (Hindukusch) anlegte, ehe er Baktrien betrat. Das ganze Land von Kabul bis Balkh heißt noch heute das Land Backter. Unter allen orientalischen Altertümern hat keines die Neugierde der Gelehrten mehr erregt als die Riesenbilder von Bamiyan. Sie bestehen aus zwei Figuren, einer männlichen und einer weiblichen, jene nennen die Einwohner Silsal, diese Schamama. Sie sind in hohem Relief in das Gebirge gehauen. Die männliche ist 120 Fuß hoch, die weibliche etwa 60. Die Nische, in der jene steht, ist 70 Fuß breit, und geht ebenso tief ins Gebirge hinein. Die Statue ist verstümmelt, beide Beine sind durch Kanonenkugeln zerschmettert, und das Gesicht oberhalb des Mundes zerstört. Die Lippen sind sehr breit, die Ohren lang und hängend, sie scheint eine Tiara auf dem Kopf gehabt zu haben. Die Figur ist mit einem Mantel bedeckt, der auf allen Seiten über sie herabhängt, und von einer Art Gips verfertigt war, das Bild ist mit hölzernen Nadeln besteckt, die durch den Gips festgehalten werden. Die Figur selbst ist ohne Symmetrie und die Falten auch ohne Eleganz. Die Hände, welche den Mantel hinaushielten, sind abgebrochen. Die weibliche Figur ist vollkommener erhalten als die männliche; sie ist auf dieselbe Art bekleidet, und aus demselben Berg in einer Entfernung von 600 Fuß ausgehauen. In jeder der Figuren sind mehrere Höhlen ausgegraben, von denen ein Gang im Innern auf den Gipfel beider Gestalten führt. In den unteren Höhlen halten gewöhnlich die Karawanen von Kabul, und die oberen bilden die Kornmagazine der Stadt.

Das Merkwürdige an den Bildern ist, dass die Nischen von beiden ehemals mit Gips bekleidet und mit Gemälden von menschlichen Figuren bedeckt waren, die jedoch jetzt überall, außer unmittelbar über dem Kopf, verschwunden sind. Aber an dieser Stelle sind die Farben ebenso lebhaft und die Gemälde ebenso deutlich, wie in den ägyptischen Gräbern. In der Zeichnung dieser Figuren ist wenig Verschiedenheit, sie stellen weibliche Büsten dar, die Haare in einen Knoten gewickelt und einen Mantel halb über die Brust geworfen, das Ganze von einem Heiligenschein umgeben, und der Kopf von einem zweiten. An einer Stelle bemerkte ich drei weibliche Figuren, die einander folgten. Die Ausführung ist mittelmäßig, und nicht besser als die chinesischen Nachahmungen europäischer Kunstwerke.

Die Traditionen der Bewohner über die Idole sind unbestimmt und wertlos; sie sagen, sie seien etwa zur Zeit vor Christi Geburt von einer ungläubigen Nation ausgehöhlt worden, und stellen einen König Silsal und seine Frau dar, welcher in einer entfernten Gegend regierte und wegen seiner Macht angebetet wurde. Die Hindus behaupten, dass sie von den Pandus ausgehauen wurden, und dass sie in dem großen epischen Gedicht, dem Mahabharata, erwähnt seien. So viel ist gewiss, dass die Hindus auf diesen Tag, wenn sie an diesen Idolen vorbeigehen, ihre Hände zum Gebet aufheben; sie bringen zwar keine Opfer dar, allein die Gewohnheit mag sich verloren haben, seitdem der Islam hier herrscht. Ich weiß, dass man vermutet hat, diese Bilder seien das Werk von Buddhisten, und die langen Ihren machen es nicht unwahrscheinlich. Ich konnte keine Ähnlichkeit mit den kolossalen Figuren in den Höhlen von Salsette in der Nähe von Bombay entdecken, aber die Gestalt des Kopfes ist der des großen Götzenbildes mit drei Gesichtern zu Elephante (Elephantine?) nicht unähnlich. In Manikyala im Pandschab, nahe bei den berühmten Topen, fand ich eine Antike aus Karneol, welche genau diesem Kopfe gleicht. In den Malereien über den Götzenbildern bemerkte ich eine große Ähnlichkeit mit den Bildern der Jainatempel im westlichen Indien, auf dem Berg Abu, zu Girnar und Politana in Katteiwar. Ich halte die Figuren für weiblich; sie sind aber sehr roh, die Farben jedoch schön und glänzend. Nichts kündigt an den Bildern in Bamiyan irgendeinen großen Fortschritt in der Kunst oder überhaupt etwas an, das nicht die gewöhnlichsten Menschen ausführen konnten. Den Griechen kann man sie sicherlich nicht zuschreiben, auch erwähnt ihrer kein Schriftsteller Alexanders. Scherif-eddin, der Geschichtsschreiber Tamerlans, beschreibt beide Idole, sowie die Aushöhlungen, und gibt an, dass kein Bogenschütze den Kopf habe treffen können. Man nennt die Idole Lat und Munat, nach den im Koran erwähnten zwei Götzenbildern; auch erwähnt dieser Autor den Weg, der im Innern des Berges auf die Köpfe hinaufführt. Inschriften finden sich keine zu Bamiyan, die auf die Entstehung der Bilder hinweisen, und in die Sagen des Volkes ist so viel von Ali, dem Schwiegersohn des Propheten, der bekanntlich nie in diesem Lande war, hineingemischt, dass sich nichts daraus entnehmen lässt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Idole von Bamiyan der Laune irgendeines mächtigen Mannes ihre Entstehung verdanken, der in dieser höhlengrabenden Nachbarschaft lebte und durch das Aushauen derselben sich unsterblich zu machen gedachte.“

Quelle: Alexander Burnes: Reisen in Indien und nach Buchara, Stuttgart/Tübingen 1835.

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